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OLG Köln: Lichtblick für Abgemahnte in Filesharing-Verfahren

Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 24.03.2011, 6 W 42/11) lässt hoffen, dass sich die restriktive Rechtsprechung des Landgerichts Köln in Filesharing-Verfahren in Zukunft ändern wird.

Bisherige Rechtsprechung

Bisher hatten es Abgemahnte, die wegen der Verletzung von Verwertungsrechten auf Unterlassung, Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten verklagt wurden, schwer. Insbesondere, wenn die Rechteinhaber in Köln klagten, da die Urheberrechtskammer (28. Zivilkammer) in Köln für ihre rechteinhaberfreundliche Rechtsprechung bekannt ist.

So wurde das Bestreiten der Aktivlegitimation stets als „Bestreiten ins Blaue hinein“ abgetan. Auch das Bestreiten der Ordnungsgemäßheit der IP-Ermittlung wurde stets als unbeachtlich eingestuft. Nach Ansicht des Landgerichts Köln oblag es dem Beklagten vielmehr zu beweisen, dass er weder als Täter noch als Störer (also als Anschlussinhaber) hafte. Ein Unterfangen, das in der Regel aussichtslos erschien. Denn häufig handelt es sich bei dem Abgemahnten lediglich um den Anschlussinhaber, der keinerlei Kenntnis davon hat, wer den Anschluss für Tauschbörsen genutzt haben könnte. Insbesondere, wenn zahlreiche Familienmitglieder den Anschluss mitnutzen können, scheint der Beweis dafür, dass kein Familienmitglied Filesharing betrieben hat, unmöglich.

Dieser restriktiven Rechtsprechung hat das Oberlandesgericht Köln nun eine klare Absage erteilt.

Der OLG-Beschluss

Dem Beschluss lag ein Prozesskostenhilfeverfahren der Beklagten zugrunde. Diese war wegen „Filesharings“ eines Computerspiels abgemahnt und später dann auf Unterlassung, Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten verklagt worden. Im Rahmen des Prozesses bestritt die Beklagte selbst Filesharing begangen zu haben. Ferner trug sie vor, ihr zwischenzeitlich verstorbener Mann habe das Internet ebenfalls nutzen können. Insofern sei nicht auszuschließen, dass er Filesharing betrieben habe. Des weiteren bestritt die Beklagte die ordnungsgemäße Ermittlung ihrer IP-Adresse mit Nichtwissen.

Sie beantragte schließlich Prozesskostenhilfe, die ihr jedoch mangels Erfolgsaussicht vom Landgericht Köln verwehrt wurde. Gegen den ablehnenden Beschluss legte die Beklagte sofortige Beschwerde ein. Mit Erfolg! Das Oberlandesgericht wies die Sache erneut an das Landgericht Köln zurück, jedoch mit der Maßgabe, dass Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der Verteidigung gegen die Klage versagt werden dürfe.

Bis dato hatte das Landgericht zunächst zulasten des Anschlussinhaber vermutet, dass dieser als Täter der Rechtsverletzung unter anderem auch auf Schadensersatz hafte. Diese Auffassung schränkte das Oberlandesgericht nun weitgehend ein. Es stellt ausdrücklich fest, die Klägerin habe im vorliegenden Fall keinen Beweis dafür angeboten, dass die Beklagte die Rechtsverletzung eigenhändig begangen habe. Richtig sei zwar, dass es eine tatsächliche Vermutung dafür gäbe, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Die Klägerin könne sich jedoch nicht auf diese Beweiserleichterung berufen, da der Anschluss unstreitig auch von dem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann genutzt worden sei. Die tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte somit Verantwortliche sei, sei insoweit entkräftet. Denn hierzu genüge es, dass die ernsthafte Möglichkeit eines von der Lebenserfahrung, auf die die Vermutung gegründet ist, abweichenden Geschehensablaufs feststeht. Vorliegend sei es ernsthaft möglich gewesen, dass der Ehemann Filesharing betrieben habe. Insoweit könne die Erfolgsaussicht der Verteidigung gegen die Haftung als Täterin nicht verneint werden.

Soweit die Beklagte lediglich als Störerin (Anschlussinhaberin) in Anspruch genommen werde und das Landgericht das Bestreiten der korrekten IP-Ermittlung mit Nichtwissen als unbeachtlich eingeordnet habe, sei dies fehlerhaft. Das Oberlandesgericht stellt ausdrücklich fest, dass das Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlung der IP-Adresse mit Nichtwissen zulässig sei. Insofern habe es auch keinerlei Vortrags konkreter Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Ermittlungen bedurft. Im Klartext heißt dies: Nicht der Beklagten hat zu beweisen, dass die IP-Adresse unkorrekt ermittelt wurde. Das Gericht ließ das Bestreiten mit Nichtwissen ausreichen.

Doch auch im Hinblick auf die Störerhaftung zeigte das Oberlandesgericht neue Tendenzen. So habe der Anschlussinhaber zwar eine Aufklärungs- und Belehrungspflicht gegenüber erwachsenen Hausgenossen, ob diese Pflicht  jedoch auch gegenüber dem Ehegatten gelte sei noch nicht entschieden. Das Gericht gab insofern zu bedenken, dass Eheleute den Anschluss häufig als gemeinsamen Anschluss begriffen. Insofern könnte es sich bei dem Abschluss eines Telefonvertrags um ein Geschäfts zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs im Sinne des § 1357 BGB handeln, bei dem ein Ehegatte den anderen Ehegatten ohne dessen Einverständnis mit verpflichtet.  Ob damit allerdings Kontrollpflichten zu vereinbarten seien, sei zumindest zweifelhaft.

Besonderer Augenmerk ist auch auf die Ausführungen zur Deckelung der Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG zu legen. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts machte nämlich darauf aufmerksam, dass bisher höchstrichterlich nicht geklärt sei, ob in diesem Fall die Deckelung der Anwaltskosten auf € 100,00 greife. Es zitiert an dieser Stelle ausdrücklich die Pressemitteilung Nr. 101/10 des Bundesgerichtshofes vom 12.05.2010.

Fazit:

Der Beschluss lässt hoffen, dass die Verteidigungsaussichten in Filesharing-Verfahren in Zukunft deutlich positiver ausfallen als bisher.

Quelle: OLG Köln, Beschluss vom 23.04.2011, 6 W 42/11,

http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=2311

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