IT-Recht aktuell

Widerrufsbelehrung muss erneut überarbeitet werden

20.12.2010

Seit dem 11.06.2010 gilt in Deutschland eine neue Widerrufsbelehrung.  Die Bundesregierung hat nun jedoch erneut einen überarbeiteten Gesetzesentwurf zum Widerrufsrecht auf den Weg gebracht, der abermals einschneidende Änderungen mit sich zu bringen droht. Das Bundeskabinett hat insofern im Rahmen seiner Sitzung vom 30.11. beschlossen, am Widerrufsrecht abermals nachzubessern.

Kein Wertersatz bei Prüfung Eigenschaften und Funktionsweise

So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher künftig keinen Wertersatz mehr leisten müssen, wenn sie die Ware lediglich hinsichtlich Eigenschaft und Funktionsweise prüfen und den Vertrag dann widerrufen. Die Überlegung dabei ist folgende: In einem Geschäft kann sich der Kunde die Produkte in Ruhe ansehen, bevor er sich endgültig zum Kauf entscheidet. Beim Einkauf mit dem Telefon oder im Internet darf nichts anderes gelten. Daher ermöglicht das Widerrufsrecht dem Verbraucher nun auch bei Fernabsatzgeschäften, die Ware in Ruhe anzusehen und zu prüfen. Das Recht zum Widerruf darf nämlich nicht dadurch entwertet werden, dass bereits für eine bloße Prüfung der Ware Wertersatz zu zahlen ist.

Hintergrund: Urteil des EuGH aus 2009

Mit dieser klarstellenden Neuregelung kommt die Bundesregierung unter anderem einer entsprechenden Forderung des Europäischen Gerichtshof nach. Dieser hatte bereits im Jahr 2009 entschieden, dass die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der Unternehmer von Verbrauchern für die Nutzung einer im Fernabsatz gekauften Ware bei fristgerechtem Widerruf generell Wertersatz verlangen können. Einen Anspruch auf Wertersatz hat der Europäische Gerichtshof aber in den Fällen für möglich gehalten, in denen Verbraucher die Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts – wie denen von Treu und Glauben und der ungerechtfertigten Bereicherung – unvereinbare Weise benutzt haben.

§ 312e BGB und neuer § 357 Abs. 3 BGB

Zur Regelung der Wertersatzpflicht im Fernabsatzhandel (Internethandel) soll es nach Meinung der Bundesregierung einen neuen § 312e BGB sowie eine Änderung der Vorschrift des § 357 Abs. 3 BGB geben (Näheres siehe Regierungsentwurf).

Auswirkungen für den Online-Handel

Sollten die Vorstellungen der Bundesregierung auch die Zustimmung des Bundestags finden, wirkt sich dies für den Online-Handel praktisch gleich mehrfach aus:

Zum einen ändert sich natürlich in den Fällen, in denen ein Verbraucher einen z.B. über eBay abgeschlossenen Kaufvertrag fristgerecht widerruft, der Umfang dessen, was der Verkäufer hierbei zurückerstatten muss. War es bisher noch möglich, einen Teil des grds. zurückzuerstattenden Kaufpreises einzubehalten, weil die Ware offensichtlich in Gebrauch genommen wurde, ist dies künftig nur noch in den Fällen möglich, wo die Nutzung über die Prüfung der Ware hinausgeht. Dies gilt auch dann, wenn die Ware hierdurch eine objektive Wertminderung erfahren hat.

Allerdings soll in den Fällen, in denen der Verbraucher die Ware nutzt, obwohl dies nicht erforderlich ist, den Grundsätzen von Treu und Glauben entsprechend, für die weitergehende Nutzung bzw. Abnutzung der Ware auch zukünftig Wertersatz geleistet werden. Eine Regelung, nach der der Verbraucher generell keinen Wertersatz leisten müsste, sieht der Regierungsentwurf nicht vor.

Zum anderen haben die Änderungen jedoch auch Auswirkungen auf das EGBGB und die gesetzliche Musterbelehrungen, da sich die Paragraphenkette in der Belehrung über die Widerrufsfrist ändert. Die Einführung des neuen § 312e BGB bedingt dann, dass sich die nachfolgenden Paragraphennummerierung ändert. Im Rahmen der Widerrufsbelehrung sind diese neuen Nummerierung zwingend zu berücksichtigen.

Gefahr: Abmahnung!

Werden die Änderungen nicht berücksichtigt, droht wiederum die Abmahnung durch einen Mitbewerber. Da sich die gesetzliche Vorlage der Musterwiderrufsbelehrung ändert, hilft zudem die Privilegierung des § 360 Abs. 3 BGB nicht, wonach der Verwender der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung grds. nicht wegen einer fehlerhaften Belehrung abgemahnt werden kann. Online-Händler müssen ihre Widerrufsbelehrung also an das neue Muster anpassen, um weiterhin den Schutz des § 360 Abs. 3 BGB für sich in Anspruch nehmen zu können.

3 Monate Übergangsfrist

Dieses Problem wurde jedoch erkannt und im Regierungsentwurf entsprechend berücksichtigt. So sollen die Änderungen zwar am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft treten. Allerdings soll in das EGBGB eine Übergangsvorschrift eingeführt werden, die besagt, dass die derzeit gültigen Musterbelehrungen noch drei Monate nach Inkrafttreten dieser Änderungen verwendet werden können, ohne dass die gesetzliche Privilegierung verloren geht.

Rechtzeitige Anpassung aktueller Widerrufsbelehrungen zwingend notwendig

Die zuvor dargestellten Änderungen müssen zwar noch einige parlamentarische Hürden nehmen, bevor ein Gesetz diese in Kraft treten lässt. Allerdings dürfte es sich hierbei angesichts der Notwendigkeit der gesetzgeberischen Änderungen wohl nur um eine Frage der Zeit handeln. Für den Online-Handel heißt es also wieder einmal, wachsam zu sein und die aktuelle Diskussion genau zu verfolgen. Ein Verschlafen der Änderungen kann sonst schnell teuer werden.

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