IT-Recht aktuell

BGH: Vertrieb von Recovery-CDs mit Echtheitszertifikaten unzulässig.

Bereits im Oktober 2011 (Urteil vom  06.10.2011, Az. I ZR 6/10) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander gesetzt, ob der Vertrieb von Recovery-CDs, die mit nicht zugehörigen Echtheitszertifikaten versehen wurden, zulässig ist.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Softwarehändler erwarb von Unternehmen die mit gebrauchten Rechnern handeln, Recovery-CDs sowie Echtheitszertifikate, die von zugehörigen Computern abgelöst worden waren. Der Händler brachte diese Zertifikate an den CDs an und veräußerte diese weiter. Dabei wurden auch CDs veräußert, die mit Zertifikaten versehen waren, die ursprünglich nicht aus demselben OEM-Paket stammten.  Der Softwarehersteller sah hierin eine Markenrechtsverletzung und forderte die Unterlassung.

Zu Recht, wie der I. Zivilsenat des BGH feststellte. Der Bundesgerichtshof wies insofern darauf hin, dass dem berechtigten Unterlassungsanspruch auch der Erschöpfungsgrundsatz des § 24 MarkG nicht entgegenstehe.  Zwar seien die Computer und Datenträger mit Zustimmung der Softwareherstellerin im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden, dennoch bestehe ein Unterlassungsanspruch. Denn beim Verbraucher werde der Eindruck erweckt, der Datenträger sei mit Zustimmung des Softwareherstellers oder von diesem selbst mit dem Zertifikat versehen worden. So werde zu Unrecht der Eindruck erweckt, der Softwarehersteller wolle für die Echtheit einstehen, was jedoch vorliegend nicht Fall sei, da diesem auch die Kontrolle über die Datenträger entzogen sei.

Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes:

„Nr. 157/2011

Microsoft gewinnt Rechtsstreit über Windows-Software

mit Echtheitszertifikaten

Die Klägerin ist die Microsoft Corporation. Sie ist Inhaberin der Wortmarke „MICROSOFT“, unter der sie die Betriebssystem-Software „Windows“ vertreibt. Bei der sog. OEM-Version wird die Software durch den Computerhersteller auf der Festplatte der Computer vorinstalliert. Die Käufer der Computer erhalten zusätzlich eine Sicherungs-CD mit der Software (sog. Recovery-CD). Bei diesem Vertriebsweg sind die Echtheitszertifikate, die die Klägerin ihren Produkten beifügt, an dem Computer selbst angebracht. Die Beklagte handelt mit Softwareprodukten. Sie erwarb von Unternehmen, die mit gebrauchten Computern handeln, Recovery-CDs mit der Software „Windows 2000“ sowie Echtheitszertifikate, die von den Computern abgelöst worden waren. Die Beklagte brachte diese Echtheitszertifikate an den Recovery-CDs an und verkaufte diese weiter. Dabei wurden Datenträger veräußert, die mit Echtheitszertifikaten versehen waren, die ursprünglich nicht aus demselben Paket (Computer mit Sicherungs-CD) stammten. Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und festgestellt, dass sie der Klägerin eine angemessene Lizenzgebühr zahlen muss. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Der für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin steht nicht der Erschöpfungsgrundsatz gemäß § 24 Markengesetz* entgegen. Zwar sind die von der Beklagten vertriebenen Datenträger und die Computer, an denen die von der Beklagten verwendeten Echtheitszertifikate angebracht waren, mit Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gelangt. Die Klägerin kann sich aber aus berechtigten Gründen dem Vertrieb der mit den Echtheitszertifikaten versehenen Sicherungs-CDs widersetzen. Der Verbraucher wird einem mit dem Echtheitszertifikat versehenen Datenträger die Aussage entnehmen, dass dieser von der Klägerin selbst oder mit ihrer Zustimmung als echt gekennzeichnet wurde. Er wird die Verbindung des Datenträgers mit dem Zertifikat der Klägerin als Markeninhaberin zuschreiben und erwarten, dass diese durch die Verbindung die Gewähr dafür übernommen hat, dass die so gekennzeichnete Ware unter ihrer Kontrolle hergestellt wurde und sie für die Echtheit einsteht, was jedoch nicht der Fall ist.

Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 23. Juli 2008 – 6 O 439/07

OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 12. November 2009 – 6 U 160/08

Karlsruhe, den 6. Oktober 2011

* § 24 Markengesetz – Erschöpfung

(1) Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2011, I ZR 6/10, Pressemitteilung Nr. 157/2011

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&sid=d4d664a1fc807d27f9f95f8e7a172286&nr=57791&pos=0&anz=2

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