IT-Recht aktuell

DSGVO rechtfertigt keinen Anspruch auf Einsicht in die Handakte bei Betriebsprüfung

Mit Urteil vom 26.07.2021, Az. 10 K 3159/20, hat das Finanzgericht Baden-Württemberg einen Anspruch auf Einsicht in die Handakte einer Betriebsprüfung aus Artikel 15 DSGVO verneint.

Artikel 15 DSGVO gewährt der betroffenen Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, steht ihr das Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf weitere Informationen wie Zweck der Verarbeitung etc. zu.

Der Sachverhalt

Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Geklagt hatte ein selbständiger Apotheker, bei dem eine Betriebsprüfung für die Jahre 2015 bis 2017 durchgeführt wurde. Im Rahmen einer Besprechung zwischen der Steuerberaterin des Klägers und der Betriebsprüferin im Juli 2020 wurde die fehlende Ordnungsgemäßheit der Buchführung thematisiert. Im August 2020 beantragte schließlich der vom Kläger beauftragte Prozessbevollmächtigte Akteneinsicht in die Unterlagen der Prüferin, die die angebliche fehlende Ordnungsgemäßheit der Buchführung beträfen. Der Beklagte lehnte den Antrag im Oktober 2020 ab. Den hiergegen im November 2020 eingelegten Einspruch verwarf er als unzulässig mit der Begründung, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die in Kopie angeforderten Unterlagen seien der Prüferin durch den Kläger bzw. dessen Steuerberaterin zur Verfügung gestellt worden. Der Antrag sei aber auch unbegründet, da während der laufenden Betriebsprüfung kein Anspruch auf Überlassung von Kopien aus der Handakte, sondern lediglich ein Auskunftsanspruch über die Grund- und E-Datenübersicht sowie eine Bescheidauskunft für die letzten Jahre bestehe. Dies sei aber vom Kläger weder beantragt worden noch gehe sein Interesse dahin, sodass von einer Weitergabe dieser Daten abgesehen werde.

Im Dezember 2020 reichte der Kläger beim Finanzgericht Baden-Württemberg Klage ein. Er begründete die Klage im Wesentlichen damit, dass seine Akteneinsicht in die Handakte der Betriebsprüfung abgelehnt worden sei. Aus Art. 15 DSGVO folge ein gebundener Anspruch auf Übersendung der Akte, der auch im laufenden Betriebsprüfungsverfahren bestehe.

Die Entscheidung

Das FG wies die zulässige Klage als unbegründet zurück.

Grundsätzlich bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da die im Laufe des Klageverfahrens vorgelegte Akte für Zwecke der Akteneinsicht gemäß § 78 FGO keine Erledigung der Hauptsache eingetreten sei. Bei der vorgelegten Akte habe es sich gerade nicht um die Handakte der Betriebsprüfung gehandelt, in die der Kläger Einsicht begehrt hatte.

Die Klage sei aber unbegründet, da ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht nicht durch das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 DSGVO begründet werde.

Die Regelungsziele der DSGVO

Regelungsziel der DSGVO sei die Gewährleistung des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Zu diesem Zweck räume Art. 8 Abs. 2 GRC und Art. 15 Abs. 1 DSGVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden sind. Ziel sei es, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst werden und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen könne (Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO). Der Auskunftsanspruch solle für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben. Er sei seiner Natur nach ein Instrument zur Durchsetzung der weiteren Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DSGVO), Löschung (Art. 17 DSGVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DSGVO; vgl. BVerwG-Urteil in HFR 2021, 287; Schober, Finanz-Rundschau -FR- 2020, 558, 562).

Der Anspruch auf Akteneinsicht

Einem gebundenen Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde sei jedoch schon aus sprachlichen Gründen zu widersprechen, da sich Art. 15 DSGVO dem Wortlaut nach nur auf bestimmte personenbezogene Daten beziehe und nicht auf eine allgemeine Einsicht in die Akten (Koenig/Gercke, 4. Auflage 2021, AO § 32c Rn. 2; Poschenrieder, DStR 2020, 21; Erkis, DStR 2018, 161). Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO sei auch nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch. Diese beruhe nämlich auf dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und sollte den Anspruchsteller in die Lage versetzen, die Grundlagen einer Verwaltungsentscheidung nachzuvollziehen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. April 2010 – 1 BvR 3515/08, HFR 2010, 862). Die DSGVO enthalte darüber hinaus keine Regelungen über die Gewährung von Akteneinsicht, sondern lediglich über punktuelle datenschutzrechtliche Auskunftsrechte.

Das Gericht vertrat abschließend die Auffassung, dass es dem Kläger im Verwaltungsverfahren nicht um datenschutzrechtliche Ansprüche, sondern um die Einsichtnahme in Unterlagen zur Abwehr unberechtigter steuerliche Ansprüche ging. Es verneinte insoweit den Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.07.2021, 10 K 3159/20

 

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