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EuGH: DIN-Normen unterliegen Urheberrechtsschutz

Wer sich schon einmal DIN-Normen zunutze machen wollte, kennt das Ärgernis: DIN-Normen sind anders als Gesetze nicht frei und kostenlos zugänglich. Wer DIN-Normen kommerziell nutzen möchte, muss teils nicht unerhebliche Gebühren zahlen.

Mit Urteil vom 14. Juli 2021 hat der Europäische Gerichtshof nun entschieden, dass DIN-Normen urheberrechtlicher Schutz zukommt und diese nicht wie gesetzliche Regelungen frei und kostenlos zugänglich gemacht werden müssen.

Geklagt hatten zwei gemeinnützige Organisationen. Der Klageantrag richtet sich dabei zunächst auf freien Zugang zu vier harmonisierten Normen, die vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) zur angenommen wurden. Es handelte sich um

– die Norm EN 715:2015 mit dem Titel „Sicherheit von Spielzeug – Teil 5 : Chemisches Spielzeug (Sets), ausgenommen Experimentiergeräte“;

– die Norm EN 714:2013 mit dem Titel „Sicherheit von Spielzeug – Teil 4: Experimentiergeräte für die Chemie und verwandte Tätigkeiten“;

– die Norm EN 7112:2013 mit dem Titel „Sicherheit von Spielzeug – Teil 12: N-Nitrosamine und N-nitrosierbare Stoffe“;

– die Norm EN 12472:2005+A 1:2009 mit dem Titel „Verfahren zur Simulation von Verschleiß und Korrosion zum Nachweis von Nickel, das aus beschichteten Gegenständen freigesetzt wird“.

Mit Beschluss vom 22. Januar 2019 bestätigte die Kommission die Weigerung, Zugang zu den beantragen harmonisierten Normen zu gewähren. Hiergegen richtete sich die mit Schriftsatz vom 28. März 2019 erhobene Klage der Klägerinnen.

Als Streithelfer wurden in dem Verfahren u.a. zugelassen das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN). Die zugelassenen Streithelfer beantragten, die Klage der gemeinnützigen Organisationen abzuweisen.

Zunächst vertraten die Streithelfer die Auffassung, die Klage sei unzulässig, weil den Klägerinnen kein Rechtsschutzbedürfnis zukomme. Diese könnten schließlich über eine Bibliothek kostenlos auf die geforderten harmonisierten Normen für nichtkommerzielle Zwecke zugreifen. Zudem könnten die Normen gegen angemessene Gebühr auch kommerziell genutzt werden.

Diesem Argument erteilte der EuGH jedoch eine klare Absage. Es äußerte, dass die Klägerinnen durchaus ein Interesse daran hätten, die die Offenlegung der Normen zu fordern. Dies insbesondere, weil die Normen nur in sehr begrenzter Anzahl von Bibliotheken, teilweise nur in nicht öffentlichen Bibliotheken zugänglich seien.

Im Rahmen der Begründetheit vertraten die Klägerinnen u.a. die Auffassung, es handle sich bei den Normen um Teile des „Unionsrechts“. Daher müssten sie frei und kostenlos zugänglich sein. An einem „Gesetzestext“, der für alle frei zugänglich sein müsse, können keine privaten Rechte gewährt werden, so dass diese Standards nicht urheberrechtlich geschützt werden könnten. Darüber hinaus handle es sich nicht um „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Die Normen bestünden schließlich nur aus Listen technischer Merkmale und / oder Prüfmethoden, so dass eine kreative Wahlmöglichkeit für den Verfasser nicht bestünde.

Der EuGH folgte den Argumenten der Klägerinnen nicht und wies die Klage zurück. Er stellte u.a. fest, dass es sich bei der harmonisierten Norm lediglich um eine technische Spezifikation handle, die von einer europäischen Normungsorganisation auf Grundlage eines Antrags der Kommission auf Anwendung der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist, erlassen wurde. Darüber hinaus monierte der EuGH, dass die Klägerinnen die Behauptung, die Normen hätten keinerlei Schöpfungshöhe, nicht näher anhand einer Analyse untermauert hätten. Länge der streitigen Normtexte und Struktur der Dokumente implizierten schließlich eine Schöpfungshöhe. Auch das Argument der Klägerinnen, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass eine Offenlegung die kommerziellen Interessen des CEN beeinträchtige, wies der EuGH zurück. Er vertrat insoweit die Auffassung, dass der Verkauf von Normen ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells der Normungsgremien sei. Ein frei verfügbarer und unentgeltlicher Zugang zu diesen Normen würde dieses Modell in Frage stellen und diese Stellen dazu verpflichten, ihre Organisation vollständig zu überdenken, was erhebliche Risiken für die Erstellung weiterer Normen mit sich brächte.

 

Fazit: Die Erhebung von Lizenzgebühren für DIN-Normen ist und bleibt auch in Zukunft rechtens. Eine Verwendung unter Umgehung der Lizenzregelungen stellt eine Rechtsverletzung dar.

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