EuGH entscheidet zur Rechtmäßigkeit von Musiksampling
Mit Urteil vom 29.07.2019, Az. C-476/17, hat der Europäische Gerichtshof Stellung zum sog. Sampling genommen. Das Sampling ist eine Technik, bei der mit Hilfe elektronischer Geräte einem Tonträger Auszüge entnommen werden, um sie als Bestandteile einer neuen Komposition auf einem anderen Tonträger zu nutzen.
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass das Sampling einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen könne, wenn es ohne dessen Zustimmung erfolgt.
Maßgebliche deutsche Normen:
Das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273, im Folgenden: UrhG) bestimmt in § 24:
„(1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des
Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers
des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche
eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt
wird.“
§ 85 Abs. 1 UrhG, mit dem Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 und Art. 9 der Richtlinie 2006/115 umgesetzt werden, sieht in Satz 1 Fall 1 und 2 vor, dass der Hersteller eines Tonträgers das ausschließliche Recht hat, den Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Sachverhalt:
Ausgangsverfahren ist ein seit 20 Jahren schwelender Streit zwischen Moses Pelham und der Musikgruppe Kraftwerk. Diese veröffentlichte Im Jahr 1977 einen Tonträger, auf dem sich das Musikstück „Metall auf Metall“ befindet.
Die Gruppe Kraftwerk warfen Pelham vor, etwa zwei Sekunden einer Rythmussequenz elektroisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt zu haben. Sie sind der Auffassung, dass Pelham ihr Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller verletzt habe.
Die zunächst beim Landgericht Hamburg eingereichte Klage auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung war erfolgreich. Die Berufung von Pelham beim Oberlandesgericht Hamburg wurde zurückgewiesen. Auf die Revision zum Bundesgerichtshof wurde das Urteil des OLG Hamburg aufgehoben und zur erneuten Prüfung an das OLG zurückverwiesen. Das OLG Hamburg wies die Berufung von Pelham anschließend erneut zurück. Mit Urteil vom 13.12.2012 wies der Bundesgerichtshof die erneute Revision von Pelham zurück. Dieses Urteil wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben, das den Rechtsstreit zurückverwies. Das Bundesverfassungsgericht vertrat die Auffassung, der BGH habe sich in den vorangegangenen Entscheidungen nicht ausreichend mit der Kunstfreiheit auseinandergesetzt. Der BGH setzte das Verfahren schließlich aus und legte es dem EuGH vor. Das vorlegende Gericht vertrat die Auffassung, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung von Art. 2 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 abhinge.
Es sei insbesondere zu klären, ob Pelham durch die Nutzung der Tonaufnahme u. a. bei der Realisierung des eigenen Tonträgers in das ausschließliche Recht von Kraftwerk eingegriffen habe. Zudem sei zu klären, ob ein solcher Eingriff festgestellt werden könne, wenn einem Tonträger zwei Sekunden einer Rhythmussequenz entnommen und auf einen anderen Tonträger übertragen würden, und ob es sich bei diesem Tonträger um eine Kopie eines anderen Tonträgers im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115 handele.
Die Entscheidung:
Der EuGH entschied, dass Sampling zwar einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen könne, wenn es ohne Zustimmung erfolgt. Dies aber nur, wenn die Nutzung des Audio-Fragments in beim Hören wiedererkennbarer Form stattfindet. Entnimmt ein Nutzer in Ausübung seiner Kunstfreiheit dem Tonträger jedoch ein Audiofragment, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen, liegt keine Vervielfältigungshandlung und damit keine Rechtsverletzung des Tonträgerherstellers vor.