IT-Recht aktuell

Forderungstilgung lässt berechtigtes Interesse an Datenspeicherung einer Detektei nicht zwingend entfallen

Eine Wirtschaftsaufkunftei ist nicht allein deswegen verpflichtet Daten eines Schuldner zu löschen, weil die Forderung zwischenzeitlich getilgt worden ist. Dies hat das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 18.01.2023 klargestellt.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrte gegenüber der beklagten Wirtschaftsauskunftei die Löschung eines Eintrags aus dem von ihr geführten Register sowie klageerweiternd in der Berufungsinstanz immateriellen Schadensersatz.

Dem Eintrag lag ein Vollstreckungsbescheid wegen rückständiger Beitragszahlungen für eine Krankheitskostenversicherung zugrunde. Der Vorfall wurde der beklagten Wirtschaftsauskunftei gemeldet, die einen entsprechenden Eintrag in ihrem Register vornahm. Nach Zahlung wurde dort zudem die Erledigung der Angelegenheit eingetragen. Die Kläger hat geltend gemacht, sie habe aufgrund der nach § 28 Abs. 1 BDSG (alte Fassung), § 6 BDSG (neue Fassung) einen Anspruch auf Löschung des Eintrags, da ihr anderenfalls ein erheblicher Schaden drohe, die Forderung verhältnismäßig geringfügig gewesen sei und sie über Immobilienbesitz in Höhe von ca. 10 Mio. Euro verfüge.

Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass ein Löschanspruch (§ 17 DSGVO) nicht bestehe. Der Eintrag sei rechtmäßig erfolgt. Er sei für die Beurteilung der Bonität von Relevanz. Die Interessen der Klägerin müssten daher hinter den Interessen der Vertragspartner der beklagten Wirtschaftsauskunftei und der Allgemeinheit zurücktreten.

Das Urteil

Das Landgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2022 abgewisen. Es begründete die Klageabweisung damit, dass das Interesse der Wirtschaftsauskunftei gemäß § 6. Abs. 1 DSGVO lit. f) DSGVO überwiege. Die Speicherung und Weitergabe kreditrelevanter Informationen durch die Beklagte diene dazu, ihren Vertragspartnern eine sachgerechte Risikoeinschätzung im Rahmen von kreditrelevanten Geschäften zu erleichtern. Ferner entspreche dies den mit der Verbraucherkreditlinie (Richtlinie 2008/48/EG des europäischen Parlamentes und Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102 EWG) verfolgten Ziele.

Das OLG Frankfurt am Main schloss sich dieser Auffassung in der Berufungsinstanz an und wies die von der Klägerin eingelegten Berufung zurück. Es verneinte einen Anspruch auf Löschung und Schadenersatz.

Nach Art 17 Abs. 1 DSGVO habe die von der Datenverarbeitung betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen. Dies allerdings nur, wenn einer der nachfolgenden Gründe vorliegt:

a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
b) Die betroffene Person widerruft ihre Einwilligung, auf die sich die Verarbeitung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 9 Abs. 2 Buchstabe a stützte, und es fehlt an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
e) Die Löschung der personenbezogenen Daten ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten erforderlich, dem der Verantwortliche unterliegt.
f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.

Das OLG verneinte das Vorliegen eines Löschungsgrundes. Die Verarbeitung erfolge zur Wahrung eigener sowie der berechtigten Interessen der Vertragspartner der Wirtschaftsauskunftei. Die Datenverarbeitung durch die Beklagte in Form der Speicherung erfolge zunächst im Interesse der Beklagten selbst als allgemeine Grundlage für ihr Geschäftsmodell. Denn sie schließt Verträge mit Unternehmen, die Leistungen anbieten, die jedenfalls auch kreditorischer Natur sein können. Sie erhält Vergütungen von ihren Kunden für die Möglichkeit, von ihr für kreditrelevant gehaltene Informationen über deren potentielle Kunden zu erlangen. Da alle Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO berechtigt sein können, die rechtlicher, persönlicher, ideeller, aber auch rein wirtschaftlicher Natur sind, stellt auch das rein geschäftliche Interesse der Beklagten an der Speicherung grundsätzlich ein derartiges berechtigtes Interesse dar. Die Speicherung zu diesem Zweck sei auch erforderlich, weil die Beklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden bzgl. die Klägerin betreffenden Anfragen mangels vollständiger Datengrundlage sonst nicht erfüllen könne (OLG Stuttgart, Urteil vom 10.08.2022 – 9 U 24/22 – zit. n. Juris).

Darüber hinaus diene die Speicherung auch und insbesondere den Interessen von Vertragspartnern der Beklagten als potentielle Kreditgeber der Klägerin. Denn sie bildete die Datengrundlage für erbetene Auskünfte dieses umgrenzten Personenkreises unter Darlegung eines berechtigten Interesses, was bei einer konkret beabsichtigten Geschäftsbeziehung zur Klägerin regelmäßig vorliegen wird. Dass das Interesse der potentiellen Kunden der Beklagten nicht nur berechtigt, sondern auch von der – europäischen wie auch innerstaatlichen – Rechtsordnung als besonders schützenswert angesehen wird, ist insbesondere an den zur Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ersichtlich, die die Vergabe von Verbraucherkrediten unter die Voraussetzung einer u. a. auf Daten wie der Beklagten basierenden Kreditwürdigkeitsprüfung stellt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 – 15 U 153/21 – zit. n. Juris).

Die Auskünfte seien auch erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern auszugleichen. Anderenfalls wären Kreditgeber allein auf die Auskünfte des Kreditnehmers angewiesen. Die Ermittlung der Kreditwürdigkeit bilde zudem das Fundament des deutschen Kreditwesens und diene insoweit der Wirtschaft sowie dem Schutz der Verbraucher vor Überschuldungen. Aus diesen Gründe überwiege das berechtigte Interesse der Wirtschaftsauskunftei an der Speicherung der Daten.

Eine dem Schuldnerverzeichnis vergleichbare Situation sei vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte erteile nur ihren Vertragspartnern (Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Kreditkarten-, Factoring- und Leasingunternehmen etc.) und auch diesen erst bei „berechtigtem Interesse“ Auskünfte, bspw. wenn ein Unternehmen gegenüber dem betreffenden Schuldner mit einer Dienstleistung oder einer Lieferung in Vorleistung geht und damit ein wirtschaftliches Risiko trage. Damit sei der Kreis an potentiellen Auskunftsberechtigten gegenüber demjenigen des Schuldnerverzeichnisses deutlich geringer. Außerdem werde eine Auskunft von der Beklagten an diesen personell geringeren Kreis nur in bestimmten Konstellationen, nämlich bei einer finanziellen Vorleistung gegenüber dem Schuldner, aufgrund eines erkennbaren Interesses erteilt (OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 – 5 U 153/21 – zit. n. Juris). Für eine entsprechende Anwendung der Vorgaben für Einträge aus dem Schuldnerverzeichnis bestehe daher kein Raum (vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil vom 23.11.2021 – 13 U 63/21 – zit. n. Juris; OLG Köln, a.a.O.; KG Berlin, Urteil vom 15.02.2022 – 27 U 51/21 – zit. n. Juris, zu der ähnlichen Konstellation der Erteilung von Restschuldbefreiung; insofern a.A. OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2022 – 17 U 5/22 – zit. n. Juris).

Quelle: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE230004082

 

« Alle Artikel anzeigen