IT-Recht aktuell

Gewährleistungsrechte IT-Vertrag / Ein Überblick

IT-Verträge als Werkverträge

Da eine Vielzahl von Verträgen im IT-Bereich über einen werkvertraglichen Charakter verfügen, möchten wir Sie an dieser Stelle über Ihre Rechte als Auftraggeber eines Werkvertrags informieren. Die nachfolgenden Ausführungen stellen einen Überblick über die möglichen Gewährleistungsrechte dar, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

I. Wann sind IT-Verträge Werkverträge?

Gemäß § 631 BGB schuldet der Auftragnehmer (Werkunternehmer) gegen entsprechende Vergütung die Herstellung eines Werkes. Absatz 2 regelt insoweit, dass Gegenstand eines Werkvertrags sowohl die

  • Herstellung und Änderung einer Sache als auch
  • ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg

sein kann.

Ob es sich bei einem Vertrag aus dem Bereich der Informationstechnologie um einen Werkvertrag, handelt muss folglich anhand des individuell vereinbarten Gegenstands des jeweiligen Vertrags geprüft werden.
Schuldet ein Softwareunternehmen eine Individualsoftware liegt unproblematisch ein Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB vor. Geschuldet wird der Erfolg auf Basis des zwischen den Parteien vereinbarten Lasten- und Pflichtenhefts.

Komplexer ist die Frage bei gemischten Verträgen. Schuldet das Softwarehaus eine Standardsoftware, leistet allerdings umfangreiche Anpassungs- (Customizing) und Installationsleistungen, kommt es auf den Schwerpunkt der vereinbarten Leistungen an. Erscheinen Installationsleistungen etc. im Verhältnis zur Lieferung der Standardsoftware nebensächlich, dürfte der Schwerpunkt im Kaufrecht liegen. Bei aufwändigen Customizingleistungen hingegen bejahrt die Rechtsprechung Werkvertragsrecht.
Im Rahmen seines Urteils vom 04.03.2010 (Az. III ZR 79/09- Internet-Systemvertrag) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Vertrag über die Bearbeitung oder Erstellung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmte Software regelmäßig als ein Werkvertrag einzuordnen sei.

 

II. Welche Gewährleistungsrechte stehen dem Auftraggeber bei Mängeln zu?

1. Was ist ein Mangel?

a) Sachmangel

Gemäß § 633 BGB ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es

  • die vereinbarte Beschaffenheit hat oder (soweit keine Beschaffenheit vereinbart wurde)
  • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst
  • für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit ausweist, die üblich ist.

Ein Mangel liegt zudem vor, wenn ein anderes als das in Auftrag gegebene Werk geliefert wird oder das Werk in zu geringer Mengel geliefert wird.

b) Rechtsmangel

Werke können auch über Rechtsmängel verfügen. Mangelfrei ist das Werk, wenn Dritte keine oder nur im Vertrag übernommene Rechte gegen den Besteller (Auftraggeber) geltend machen können. Gerade bei der Erstellung von Software ist dringend auf Rechte Dritter zu achten. Besonders problematisch ist an dieser Stelle auch die Verwendung von Open-Source Software.

 

2. Welche Rechte stehen dem Auftraggeber (Besteller) zu?

Wurde ein Werkvertrag über die Erstellung einer Software geschlossen, die Software verfügt jedoch über einen Mangel, gibt das Gesetz dem Auftraggeber folgende Rechte an die Hand:

  • den Anspruch auf Nacherfüllung §§ 634 Nr. 1, 635 BGB
  • das Recht zur Selbstvornahme, §§ 634 Nr. 2, 637 BGB
  • das Recht zum Rücktritt v. Vertrag, §§ 634 Nr. 3 BGB
  • das Recht auf Minderung der Vergütung, §§ 634 Nr. 3, 638 BGB
  • den Anspruch auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz, § 634 Nr. 4 BGB

Im Einzelnen:

a) Anspruch auf Nacherfüllung, §§ 634 Nr. 1, 635 BGB

Im Vordergrund der Gewährleistung steht zunächst der Anspruch des Bestellers auf Nacherfüllung. Anders als im Kaufrecht obliegt hier das Wahlrecht, ob der Mangel beseitigt oder das Werk neu hergestellt wird, dem Werkunternehmer, nicht dem Besteller.
Ist die Nacherfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern.
Da die Geltendmachung des Rücktritts vom Vertrag oder die Geltendmachung von Schadensersatz für den Besteller voraussetzt, dass der Unternehmer

  • die Nacherfüllung verweigert hat (§ 635 Abs. 3)
  • die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist,

sollte der Besteller der Leistung die Mangel zunächst gegenüber dem Unternehmer detailliert anzeigen und eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Zu Beweiszwecken empfiehlt sich die Mängelanzeige schriftlich mit der Möglichkeit des Nachweises des Zugangs zu tätigen.
Unterbleibt die Aufforderung zur Nacherfüllung, können weitere Ansprüche des Bestellers bereits an dieser Stelle scheitern.
Gemäß § 635 Abs. 2 BGB hat der Unternehmer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen und Kosten (Transport-, Arbeits- und Materialkosten) zu tragen.
Bei der Softwareerstellung sollte aus diesem Grund darauf geachtet werden, dass eine deutliche Abgrenzung zwischen der Nacherfüllung aus Gewährleistungsrecht und einem Change Request erfolgt. Nacherfüllungsleistungen aus Gewährleistungsrecht sind nicht vergütungspflichtig und dürfen vom Softwareunternehmen nicht als Change Request-Leistungen „versteckt“ werden.
Gleiches gilt bei Vorhandensein von Wartungs- und Pflegeverträgen.

 

b) Das Selbstvornahmerecht, §§ 634 Nr. 2, 637 BGB

Anders als im Kaufrecht, hat der Besteller im Werkvertragsrecht ein Selbstvornahmerecht. Hat der Besteller dem Unternehmer

  • eine angemessen Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt
  • und diese Frist ist fruchtlos verstrichen

kann der Besteller den Mangel selbst beseitigen lassen. Nur unter bestimmten Umständen ist die Fristsetzung entbehrlich.
Gemäß § 637 Abs. 3 BGB kann der Besteller vom Unternehmer sogar einen Vorschuss für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen.

 

c) Rücktritt vom Vertrag, §§ 634 Nr. 3, 636, 323 BGB

Ist die bereits erwähnte Frist zur Nacherfüllung fruchtlos verstrichen, kann der Besteller bei Vorliegen eines nicht unerheblichen Mangels vom Vertrag zurücktreten.
Auch hier gilt, dass nur in Ausnahmefällen auf eine Fristsetzung verzichtet werden kann.
Möchte der Besteller vom Vertrag zurücktreten, hat er den Rücktritt ausdrücklich zu erklären. Greift der Rücktritt, sind die gegenseitig gewährten Leistungen Zug um Zug zurück zu gewähren. Bei unwesentlichen Mängeln ist ein Rücktritt nicht möglich.

 

d) Minderung der Vergütung, §§ 634 Nr. 3, 638 BGB

Liegen die Voraussetzungen für einen Rücktritt zwar vor, möchte der Besteller allerdings nicht zurücktreten, räumt das Gesetz auch das Recht zur Minderung der vereinbarten Vergütung ein. Die Minderung ist auch bei unwesentlichen Mängeln –anders als der Rücktritt- möglich. Auch hier bedarf es der ausdrücklichen einseitigen Erklärung des Bestellers.
Liegen die Voraussetzungen für eine Minderung vor, so ist die vereinbarte Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes im mangelfreien Zustand zu dem wirklichen Wert (mit Mangel) gestanden haben würde.

 

e) Anspruch auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz, § 634 Nr. 4 BGB

Die Vorschrift des § 634 Nr. 4 BGB begründet keinen eigenständigen Schadensersatzanspruch, sondern verweist auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Danach gibt es folgende Konstellationen:

  • Die Nacherfüllung war von Anfang an unmöglich
    (Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 634 Nr. 4 i. V. m. § 311 a Abs. 2 BGB)
  • Die Nacherfüllung wurde nachträglich unmöglich
    (Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB)
  • Die Nacherfüllung verzögert sich
    (Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 u 3, 281 Abs. 1 BGB; Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens gem. §§ 634 Nr. 4, 280 1 u. 2, 286 BGB, wenn der Verzug der Nachlieferung vorliegt)

Entsteht wegen des Mangels am Werk an anderen Rechtsgütern ein Schaden, so kann er den Mangelfolgeschaden gemäß § 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB geltend machen.

 

III. Wann verjähren die Gewährleistungsrechte?

Greifen keine besonderen Regelungen, verjähren die Mängelgewährleistungsansprüche des Auftraggebers in der regelmäßigen Gewährleistungsfrist nach drei Jahren, § 634 a Abs. 1 Nr. 3, 195 BGB.
Liegt der Erfolg jedoch in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- und Überwachungsleistungen, beträgt die Verjährung gemäß § 634 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwei Jahre.

Der Artikel soll lediglich einen Überblick über die Gewährleistungsrechte im Werkvertragsrecht verschaffen. Er erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und kann eine individuelle Beratung und Prüfung Ihrer Ansprüche nicht ersetzen.


Wenn Sie Beratung benötigen, kontaktieren Sie uns gerne unter 0221 – 200 517 6.
Wir stehen Ihnen gerne für eine erste Einschätzung zur Verfügung.


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