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OLG Hamm: Schutz nach Geschäftsgeheimnisgesetz setzt angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen voraus

Mit Urteil vom 15.09.2020, Az. 4 U 177/19, hat das Oberlandesgericht Stellung zum sog. Geschäftsgeheimnisgesetz genommen. Es kommt im Ergebnis dazu, dass ein Unterlassungsanspruch nach § 6 GeschGehG die Feststellung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b GeschGehG voraussetzt.

 

Sachverhalt:

Dem Urteil lag ein Streit zweier Wettbewerber zugrunde, in dessen Rahmen auch Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz geprüft wurden. Die klagende Partei ist ein Unternehmen, das Maschinen und Fahrzeuge für den Neubau, Umbau und die Messarbeiten von Gleisen und Oberleitungen herstellt. Sie ist international führende Anbieterin einer Vielzahl von Bahnbaumaschinen. Sie entwickelte u.a. über 200 technisch unterschiedlich ausgestattet Stopfaggregate. Diese finden Verwendung bei der Instandhaltung von Gleisen mit Schotteroberbau, um Unebenheiten in der Gleislage zu beseitigen. Die im Jahr 2012 gegründete Beklagte bietet ebenfalls Maschinen im Gebiet der Gleisinstandhaltung an. Geschäftsführer und Mitgesellschafter sind zwei ehemalige leitende Angestellte der Klägerin. Die Beklagte vertreibt ein von ihr und einer weiteren GmbH als „Flüsteraggregat“ bezeichnetes Universalstopfaggregat, das sie im Jahr 2013 gemeinsam entwickelte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass ein Mitarbeiter der deutschen Konzerngesellschaft der Klägerin zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt Pläne einiger Bauteile ohne Geheimhaltungsmaßnahmen an den Prokuristen dieser GmbH übermittelt hatte.

Nachdem die Beklagte angekündigt hatte, an der zwischen dem 30.05. und 01.06.2017 in Münster stattfindenden 27. Internationalen Ausstellung für Fahrwegstechnik („iaf“) teilzunehmen, erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte in dem beim Landgericht Münster im Beschlusswege ohne Anhörung der Beklagten eine einstweilige Verfügung. Mit dieser wurde der Beklagten im Ergebnis untersagt, das von ihr vertriebene Flüsteraggregat anzubieten, zu bewerben oder zu vertreiben.

Auf der Messe stellte die Klägerin der Beklagten am Eröffnungstag (30.05.2017) die einstweilige Verfügung um 9.00 Uhr zu. Unmittelbar danach deckte die Beklagte das auf dem Messestand ausgestellte Flüsteraggregat mit einer Plane ab und entfernte die Werbematerialien zu dem Aggregat. Auf den noch am 30.05.2017 erhobenen Widerspruch ordnete das Landgericht Münster durch Beschluss vom 31.05.2017 an, dass die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000.0000,00 € fortgesetzt werden dürfe. Nach dem Zugang dieses Beschlusses ließ die Beklagte am 31.05.2017 gegen 13.00 Uhr die Plane entfernen. Da die Klägerin die Sicherheit nicht stellte, konnte die Beklagte dann das von ihr angebotene Flüsteraggregat während der verbleibenden Zeit auf der Messe ausstellen und bewerben. In der vor dem Landgericht Münster im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 07.06.2017 zurück.

Im Rahmen einer gerichtlichen Weiterung vor dem LG Münster begehrte die Klägerin schließlich u.a. ein Verbot, welches der Beklagten untersagen sollte, Stopfaggregate anzubieten und zu bewerben, die die Beklagte einem Produkt der Klägerin nachgeahmt haben soll. Die Klägerin behauptete, die Beklagte habe das von ihr angebotene Stopfaggregat dem streitgegenständlichen der Klägerin nachgebaut. Die Geschäftsführer der Beklagten hätten Konstruktionszeichnungen für die wesentlichen Bauteile ihres Stopfaggregates unrechtmäßig erlangt. Es seien vertrauliche Entwicklungsunterlagen rechtswidrig vervielfältigt und mitgenommen worden. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass ihr daher ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Sie war der Meinung, ihrem streitgegenständlichen Universal-Stopfaggregat käme eine ganz erhebliche wettbewerbliche Eigenart im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG zu. Bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um eine nahezu identische Nachahmung. Die Produktnachahmung sei auch unlauter erfolgt, was sich sowohl aus einem Bruch des arbeitsvertraglichen Vertrauensverhältnisses als auch aus einem Verstoß gegen Strafvorschriften im Sinne der §§ 17, 18 UWG a.F. ergäbe. Daher stünden ihr neben einem Unterlassungs- auch Schadensersatz- und Auskunftsansprüche zu, u.a. auch Unterlassungsansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz zu. Das LG  Münster verneinte den Klageanspruch und lehnte insoweit neben Ansprüchen aus dem UWG auch Ansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz ab.

Das OLG Hamm folgte dieser Auffassung in der Berufungsinstanz und vertrat die Auffassung, dass der Schutz aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz stets die Feststellung tatsächlich ergriffener Schutzmaßnahmen voraussetze.

 

Das Urteil des OLG Hamm

Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs aus dem GeschGehG sei die Festellung, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen vom Inhaber des Geschäftsgeheimnisses ergriffen worden sein. Diese Maßnahmen müssten angemessen erscheinen. Bei der Angemessenheit handle es sich um ein flexibles Tatbestandsmerkmal, das dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit folge.

Es sei insoweit nicht erforderlich, dass der Unternehmen optimale Schutzvorkehrung treffen, ein Minimum an Schutzmaßnahmen sei allerdings nicht ausreichend.

Die Angemessenheit bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Kosten der Maßnahmen müssten in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Geschäftsgeheimnisses stehen. Weitere Kriterien seien der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung, etwaige Schwierigkeiten der Geheimhaltung sowie die konkrete Gefährdungslage. Auch Unternehmensgröße und Leistungsfähigkeit seien mit einzubeziehen. Von einem weltweit tätigen unternehmen könnten finanziell aufwändigere Sicherungsmaßnahmen erwartet werden als von einem Handwerksbetrieb.

Das OLG Hamm verneinte im Rahmen des streitgegenständlichen Anspruchs adäquate Sicherungsmaßnahmen. Es stellte fest, dass unstreitig mehrfach Zeichnungen der Klägerin von verschiedenen Bauteilen ohne Geheimhaltungsmaßnahmen frei zugänglich gewesen seien. Aus Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus den Fachkreisen der Parteien sei es zwingend erforderlich gewesen in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses jedem Hinweis auf eine Umgehung sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zu überarbeiten. Die im Prozess vorgetragenen Maßnahmen seien insoweit nicht ausreichend.

Quelle: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2020/4_U_177_19_Urteil_20200915.html

 

Fazit:

Vor dem Hintergrund des GeschGehG ist für Unternehmen wichtig, dass angemessene und taugliche tatsächliche Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen und dokumentiert werden, damit unternehmensinterne Informationen als Geschäftsgeheimnis qualifiziert werden können. Anders als vor Inkrafttreten des GeschGehG bedarf es dazu tatsächlich ergriffener organisatorischer und technischer Maßnahmen. Die bloße subjektive Einordnung einer Information als geheim genügt indes nicht mehr.

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