OLG Sachsen-Anhalt: Steuer-Online-Coaching unterliegt nicht dem FernUSG – Kein Widerrufsrecht für Unternehmer
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 26. November 2024 (Az.: 1 U 41/24) eine wichtige Entscheidung zur Einordnung von Online-Coaching-Programmen im Bereich des Fernunterrichts getroffen. Im Zentrum des Falls stand die Frage, ob ein Online-Steuer-Coaching-Programm als Fernunterricht gemäß Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) einzustufen ist und ob einem Unternehmer in diesem Zusammenhang ein Widerrufsrecht zusteht-
Hintergrund des Urteils
Die Klägerin, eine Anbieterin eines Online-Coaching-Programms für Steuerstrategien, forderte von der Beklagten, einer Unternehmerin, die Zahlung aus einem geschlossenen Dienstleistungsvertrag. Die Beklagte hatte den Vertrag fristgerecht widerrufen und berief sich darauf, dass das Programm als Fernunterricht im Sinne des FernUSG zu werten sei und daher ohne eine entsprechende Zulassung nichtig wäre. Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte die Klage zunächst abgewiesen, da es die Voraussetzungen des FernUSG als erfüllt ansah.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das OLG Sachsen-Anhalt sah die Rechtslage anders und entschied zugunsten der Klägerin. Das Steuer-Coaching-Programm sei kein Fernunterricht im Sinne von § 1 Abs. 1 FernUSG und somit nicht widerrufbar. Die entscheidenden Punkte waren:
=> Keine verpflichtende Lernerfolgskontrolle:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) setzt ein Fernunterrichtsvertrag eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Lehrenden voraus. Zwar enthielt das Coaching-Programm interaktive Elemente wie Live-Webinare und Fragemöglichkeiten, jedoch war die Teilnahme an diesen freiwillig. Die Teilnehmer konnten zwar Fragen stellen, es gab jedoch keine verpflichtende Überprüfung des Lernerfolgs, wie es für den Fernunterricht erforderlich wäre.
=> Überwiegende räumliche Trennung nicht ausschlaggebend:
Das Programm bestand aus mehreren Online-Modulen, begleitenden Webinaren und einem Netzwerk-Event vor Ort. Das Gericht stellte klar, dass die räumliche Trennung allein nicht ausreiche, um das FernUSG anzuwenden. Entscheidend sei vielmehr, ob das Konzept in erster Linie auf Wissensvermittlung und nicht auf individuelle Beratung ausgerichtet ist.
=> Widerrufsrecht für Unternehmer ausgeschlossen:
Selbst wenn das FernUSG Anwendung gefunden hätte, wäre ein Widerruf durch die Beklagte nicht möglich gewesen, da die Beklagte als Unternehmerin gehandelt hatte. Das Widerrufsrecht im FernUSG schütz primär Verbraucher und nicht gewerbliche Teilnehmer.
=> Zahlungspflicht der Beklagten:
Da das Gericht einen wirksamen Widerruf verneinte, blieb die Beklagte zur Zahlung der vertraglich vereinbarten 11.894,43 EUR zuzüglich Verzugszinsen verpflichtet.
Fazit und Bedeutung der Entscheidung
Dieses Urteil stärkt die Rechtsposition von Anbietern digitaler Coaching-Programme, insbesondere im B2B-Bereich. Es verdeutlicht, dass nicht jedes Online-Coaching automatisch als Fernunterricht gilt und dass Unternehmer kein pauschales Widerrufsrecht bei Online-Dienstleistungen haben. Anbieter solcher Programme sollten dennoch sorgfältig prüfen, ob ihre Angebote dem FernUSG unterliegen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Dies insbesondere, da die Rechtsprechung uneinheitlich ist.