Rechtsmissbrauch kann Kündigung einer Unterlassungserklärung rechtfertigen
Mit Urteil vom 14.02.2019, Az. I ZR 6/17, hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass neben einer Gesetzesänderung und dem Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs auch die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung ein Grund für die Kündigung eines Unterlassungsvertrags im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB darstellen kann. Darüber hinaus entschied es die bisher streitige Frage, ob ein aufgrund missbräuchlicher Abmahnung abgeschlossener Unterlassungsvertrag nicht nur nach § 314 BGB gekündigt werden könne, sondern der Geltendmachung des Vertragsstrafeanspruchs auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegenstehe.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger verkaufte über eBay und über einen Onlineshop Kopf- und Ohrhörer. Er mahnte die Beklagte 2014 –eine Mitbewerberin- wegen Verstößen gegen das seinerzeit geltende Elektro- und Elektronikgerätegesetz vom 16.03.2005 und die Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung vom 13.04.2013 wegen Verstößen gegen die Pflicht zur Anbringung der CE-Kennzeichnung ab. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die die Klägerin annahm.
In der Folgezeit tätigte die Klägerin weitere Testkäufe und mahnte die Beklagte neuerlich wegen Verstößen gegen die Unterlassungsvereinbarung ab. Der Kläger erhob schließlich Klage beim Landgericht auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
Vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 01.12.2015 die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich. Zudem wandte sie ein, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe auch unabhängig der Kündigung rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB sei.
Das Urteil des LG Berlin
Das LG Berlin hat die Klage des Klägers auf Vertragsstrafe abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage der Beklagten zum Ersatz der Aufwendung für die Rechtsverteidigung verurteilt. Es nahm an, dass die Beklagte gemäß § 314 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung der Unterlassungsvereinbarung berechtigt gewesen sei, weil der Kläger im Sinn von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Dauerschuldverhältnisse könnten gemäß § 314 Abs. 1 S. 1 BGB stets aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund läge u.a. vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden könne. Ein wichtiger Grund könne insbesondere vorliegen, wenn der Abmahnende rechtsmissbräuchlich handle. Das LG vertrat vorliegend die Auffassung, der Kläger handle missbräuchlich, da die Abmahntätigkeiten des Klägers in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit stünden, da dessen Finanzverhältnisse desolat waren.
Darüber hinaus entschied das LG Berlin, dass dem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe bereits der Einwand des Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 242 BGB entgegenstünde. Dieser Einwand gelte bereits vor der Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers beim KG Berlin blieb ohne Erfolg.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof folgte dieser Rechtsauffassung und verneinte den Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe an den Kläger.
Der BGH führt im Rahmen seines Urteils aus, dass neben einer Gesetzesänderung auch weitere Kündigungsgründe zur Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung möglich sind. Weiter führt er aus, dass bei Vertragsstrafeansprüchen aus einer Unterlassungsvereinbarung im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen ist, ob das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung den Schluss rechtfertigt, dass deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Das LG komme zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Abmahntätigkeit allein entfaltet habe, um Vertragsstrafeversprechen zu generieren. Dem Kläger sei insoweit auch bewusst gewesen, dass Abgemahnte wegen seiner desolaten Finanzverhältnisse im Falle des Obsiegens keine Kostenerstattungsansprüche gegen ihn hätten realisieren können.