Wann muss der Plattformbetreiber Auskunft über Nutzerdaten im Sinne von § 21 TDDDG erteilen?
Mit dieser Frage hat sich das OLG Bamberg mit Beschluss vom 17.12.2024, Az. 6 W 12/24 e, beschäftigt.
Der Sachverhalt
Den Antrag auf Auskunft hatte ein Unternehmen gestellt, das auf einer Arbeitgeberbewertungsplattform zahlreichen negative Bewertungen bekommen hatte. Die Überschriften dieser Bewertungen lauteten u.a.: „Geschäftsführung hat zu wenig Vertrauen – Löschung von negativen Bewertungen“, „Gezielte Repression!“, „Unprofessionell und Missgünstig“, „unprofessionell – nicht zu empfehlen“, „Ungleichbehandlung wegen Homeoffice, wir leben nicht mehr in den 80igern“, „Sehr viele Baustellen, die dringend beseitigt werden müssen!“, „nur bestimmte Kolleg:innen bekommen Homeoffice“, „Katastrophe dieser Laden“, „Unvorstellbare Zustände“, „Nicht zu empfehlen“, „Schmutz“, „Zur Überbrückung ok, Dauerlösung nein“ und „nicht zu empfehlen“.
Das Unternehmen hatte den Antrag auf § 21 TDDDG gestützt, wonach der Anbieter von digitalen Diensten gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet ist und im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandenen Bestandsdaten erteilen darf. Dies allerdings nur, wenn die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen, erforderlich ist.
Vorliegend hatte sich das Unternehmen auf §§ 185 (Beleidigung), 186 (Üble Nachrede) und 187 (Verleumdung) StGB gestützt. Das Unternehmen trug weiter vor, es werde in seinen Unternehmerpersönlichkeitsrechten und seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rechtswidrig verletzt.
Die Rechtsauffassung des OLG Bamberg
Das OLG Bamberg stellt in seinem Beschluss klar, dass ein Auskunftsanspruch nur bei strafrechtlich relevanten Äußerungen bestehe, nicht jedoch bei bloß zivilrechtlich rechtswidrigen Meinungsäußerungen. Weiterhin betont es im Rahmen des Beschlusses, dass lediglich Bestandsdaten herauszugeben seien, Nutzungsdaten wie IP-Adressen jedoch nicht. Der Beschluss setzt sich auch mit der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der „Geschäftsehre“ von Unternehmen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Bewertungen auseinander.
Das Gericht wies die Beschwerde des Unternehmens im Ergebnis ab, da die beanstandeten Äußerungen entweder als zulässige Meinungsäußerungen oder nicht als strafrechtlich relevant eingestuft wurden.
Die Kernaussagen des Beschlusses
Der Beschluss behandelt die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 TDDDG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) und enthält folgende Kernaussagen:
- Der Auskunftsanspruch ist beschränkt auf Bestandsdaten:
Das Gericht betont, dass § 21 TDDDG lediglich die Herausgabe von Bestandsdaten erlaubt, nicht aber von Nutzungsdaten.
Zitat:
„Nach § 21 TDDDG sind lediglich Bestandsdaten, nicht aber Nutzungsdaten herauszugeben, so dass eine Auskunft über IP-Adressen nicht in Betracht kommt.“
Dies bedeutet, dass ein Unternehmen keine IP-Adressen der Bewertenden verlangen kann. - Strafrechtliche Relevanz erforderlich:
Für einen Auskunftsanspruch gemäß § 21 Abs. 2 TDDDG reichtedie zivilrechtliche Rechtswidrigkeit einer Bewertung nicht aus. Es müsse eine strafrechtlich relevante Äußerung vorliegen.
Zitat: „Für die Auskunft nach § 21 Abs. 2 TDDDG genügt die zivilrechtliche Rechtswidrigkeit einer Bewertung noch nicht; erforderlich ist eine strafrechtlich relevante Äußerung.“
Das Gericht vereinte im vorliegenden Fall, die Tatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB). - Meinungsfreiheit vs. Unternehmerpersönlichkeitsrecht:
Das Gericht führte eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Bewertenden und dem Schutz der „Geschäftsehre“ des Unternehmens durch. Dabei betonte es, dass die Meinungsfreiheit nicht schrankenlos sei, aber auch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht durch die Meinungsfreiheit beschränkt werde.
Zitat: „Im Streitfall ist zwischen der Meinungsfreiheit und der „Geschäftsehre“ abzuwägen, wobei letztere den sozialen Geltungsanspruch von Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsunternehmen und die wirtschaftliche Wertschätzung von Unternehmen vor unmittelbaren Beeinträchtigungen, die durch Verbreitung unwahrer Behauptungen über sie herbeigeführt werden, schützt.“ - Schmähkritik:
Das Gericht definierte „Schmähkritik“ als Äußerung, die keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe und im Grunde nur die betroffene Person grundlos verächtlich mache.
Zitat: „Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht.“
Es stellte fest, dass keine der beanstandeten Bewertungen im vorliegenden Fall den Tatbestand der Schmähkritik erfülle. - Bewertungen als Einheit:
Das Gericht betonte, dass Bewertungen (Sternebewertung und Textteil) als eine einheitliche Meinungsäußerung zu betrachten seien und nicht in Einzelteile aufgespaltet werden dürften.
Zitat: „Nach der Rechtsprechung des Senats stellt eine Bewertung, wie sie hier in Rede steht, beginnend mit der symbolischen Sternebewertung bis zum Anschluss des Textteils eine einheitliche, grundsätzlich nicht in Einzelteile aufspaltbare Meinungsäußerung dar.„ - Wahrer Tatsachenkern:
Bei Äußerungen, die wertende und tatsächliche Elemente vermischten, sei der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile besonders wichtig für die Abwägung. - Mittelbare Störerhaftung:
Das Gericht verwies auf die Pflichten des Hostproviders (der Bewertungsplattform) im Rahmen der mittelbaren Störerhaftung. Der Hostprovider müsse Hinweisen auf Rechtsverletzungen nachgehen und versuchen, sich die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen.
Zitat: „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Hostprovider, wenn er auf eine mögliche Rechtsverletzung hingewiesen wird, die Berechtigung der Beanstandung klären. Er muss ernsthaft versuchen, sich hierzu die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen.“ - Bewertungen von Nicht-Arbeitnehmern:
Das Gericht räumte ein, dass Bewertungen, die nicht von Arbeitnehmern des Unternehmens stammten, nach zivilrechtlichen Maßstäben rechtswidrig sein könnten. Allerdings sei auch in diesem Fall eine strafrechtlich relevante Äußerung erforderlich, um einen Auskunftsanspruch im Sinne des 21 TDDDG zu begründen.
Das OLG Bamberg wies die Beschwerde des Unternehmens gegen die Ablehnung des Auskunftsantrags ab. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 Satz 2 TDDDG bestehe nicht, da die beanstandeten Bewertungen weder strafrechtlich relevant seien, noch die Voraussetzungen für Schmähkritik erfüllten.
Quelle: OLG Bamberg, Beschluss v. 17.12.2024 – 6 W 12/24 e – Bürgerservice