VG Wiesbaden: Verarbeitung von Gesundheitsdaten eines Arbeitnehmers im Rahmen eines Prozesses rechtens
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 19.01.2022 (Az. 6 K 361/21.WI) entschieden, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses keinen Verstoß gegen die DSGVO darstellt.
Sachverhalt
Der bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigte Kläger war seit geraumer Zeit ununterbochen krankgeschrieben. Es handelte sich um einen Volljuristen, der bei der beklagten Arbeitgeberin angestellt war. Aufgrund eines schweren Schlaganfalls wurde ihm im Jahr 2018 ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. In einem vom Kläger angestrengten arbeitsgerichtlichen Verfahren nahm schließlich die von der Arbeitgeberin eingeschaltete Rechtsanwältin u.a. zu den Gesundheitsdaten und dem Grad der Behinderung des Klägers Stellung. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen die DSGVO, da Gesundheitsdaten gemäß DSGVO nur unter engen Voraussetzungen verarbeitet werden dürfen. Er monierte, das die Rechtsanwältin wörtlich aus einem Gespräch zum Betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements im Sinne von § 167 SGB IX („BEM“) zitiert habe. Insoweit seien sensible Gesundheitsdaten ohne seine Zustimmung im Arbeitsgerichtsprozess verarbeitet worden. Der Kläger vertrat die Auffassung, diese Gesundheitsdaten hätten dem Rechtsbeistand der Arbeitgeberin nicht ausgehändigt werden und auch nicht vom Rechtsbeistand verarbeitet werden dürfen. Der Kläger bat daher die hessische Datenschutzbehörde gegen den vermeintlichen Datenschutzverstoß vorzugehen. Dies lehnte die zuständige Datenschutzbehörde per Bescheid vom 01.03.2021 ab. Der Kläger verfolgte seine Interessen vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden weiter.
Das Urteil
Das VG Wiesbaden wies die Klage des Klägers ab.
Es urteilte, dass die Datenverarbeitung der Gesundheitsdaten des Klägers durch den Rechtsbeistand der Arbeitgeberin im Rahmen des Prozesses durch Art. 9 Abs. 2 b) und f) DSGVO legitimiert gewesen sei. Im vorliegenden Fall hatte das Interesse der Rechtsanwältin, die vertragliche Verpflichtung mit dem Mandanten, der Arbeitgeberin, zu erfüllen (vgl. § 3 Abs. 3 BRAO) überwogen. Hierfür sei sie gehalten gewesen, die Prozessvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu übernehmen und entsprechend vorzutragen. Die Rechtsanwältin hätte sich zudem nicht im eigenen Namen über die Daten des Klägers erklärt, sondern als Vertreterin und im Namen der Partei über die ihr vom Mandanten zugetragenen Tatsachen.
Bei den Äußerungen eines Anwalts im Prozess handle es sich um Parteivortrag. Die Verarbeitung der Daten sei auch zur Wahrung der berechtigten Interessen der Arbeitgeberin erforderlich gewesen, da die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes anderenfalls unmöglich wäre. Letztendlich drohe dem Rechtsanwalt in diesem Fall die Gefahr der Anwaltshaftung.
Zwar sei vom Grundsatz her gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einer natürlichen Person untersagt. Aus Art. 9 Abs. 2 lit. f) DS-GVO ergebe sich jedoch, dass dieses Verbot dann nicht gelte, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich sei.
- Diese Norm diene der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruchs (vgl. Art. 47 GRCh, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG). Ließe sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, hier sensitiver Gesundheitsdaten, durchsetzen, solle es hieran nicht scheitern (Kühling/Buchner/Weichert, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 9 Rn. 83). Das Datenschutzregime dürfe nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten nicht mehr möglich sei. Dasselbe müsse vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten.
- Das Gericht stellt weiter fest, dass Art. 9 Abs. 2 lit. f) DSGVO auf die nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen, die einen angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten sicherstellen sollen, verweise. Ein expliziter Verweis auf nationale Regelungen sei insofern nicht nötig gewesen.
Quelle: Bürgerservice Hessenrecht