BGH: Umzug rechtfertigt keine vorzeitige Kündigung eines DSL-Anschlusses
Mit Urteil vom 11.11.2010 (Az. III ZR 75/10) hat der Bundesgerichtshof sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein vorzeitiges Kündigungsrecht im Hinblick auf einen DSL-Vertrag besteht, wenn der Vertragspartner umzieht und am neuen Wohnort kein DSL verfügbar ist. Im Ergebnis verneinte er ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte mit dem beklagten Unternehmen im Mai 2007 einen DSL-Vertrag mit einer Vertragsdauer von 2 Jahren abgeschlossen. Im November 2007 verzog der Kläger schließlich in eine andere Gemeinde, in der keine DSL-fähigen Leitungen lagen. Insofern konnte das beklagte Unternehmen am neuen Wohnort kein DSL installieren. Nachdem das Unternehmen den Kläger über diese Tatsache informiert hatte, kündigte der Kläger den Vertrag. Das Unternehmen verlangte jedoch weiterhin die vereinbarten monatlichen Grundgebühren.
Mit der Klage begehrte der Kläger schließlich die Feststellung, dass der Vertrag durch die Kündigung wirksam beendet worden sei und ihn keinerlei Zahlungsverpflichtung mehr treffe.
Der Bundesgerichtshof vereinte schließlich mit Entscheidung vom 11.11.2010 die Wirksamkeit der Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 oder § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er verneinte einen wichtigen Grund, da der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über eine Dienstleistung unterschreibe, das Risiko zu tragen habe, aufgrund von Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse die Leistungen nicht mehr nutzen zu können. Der Kündigungsgrund entstamme insofern der Sphäre des Kunden und sei dem Einfluss des Unternehmens entzogen. Insofern stelle ein Umzug aus privaten und beruflichen Gründen keinen wichtigen Kündigungsgrund dar. Es bestehe insofern auch kein Ungleichgewicht, da der Kunde auch die Möglichkeit gehabt habe eine teureren aber kürzeren Vertrag abzuschließen. Ferner amortisierten sich die technischen Leistungen des Unternehmens (Bereitstellung des Routers und WLAN-Sticks) erst im zweiten Vertragsjahr.
Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshof lautet wie folgt:
Nr. 215/2010
Bundesgerichtshof: Keine vorzeitige Kündigung eines
DSL-Anschlusses bei Umzug
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der Inhaber eines DSL-Anschlusses den Vertrag mit seinem Telekommunikationsunternehmen vor Ablauf der vereinbarten Frist nicht kündigen kann, wenn er an einen Ort umzieht, an dem noch keine DSL-fähigen Leitungen verlegt sind.
Im Streitfall hatte der Kläger mit dem beklagten Unternehmen im Mai 2007 einen Vertrag über die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses geschlossen, mit dem er an seinem seinerzeitigen Wohnsitz Zugang zum Internet einschließlich Internettelefonie erhielt. Der Vertrag war auf die Dauer von zwei Jahren geschlossen. Im November 2007 verzog der Kläger in eine im selben Landkreis gelegene andere Gemeinde. Dort liegen keine DSL-fähigen Leitungen, so dass die Beklagte nicht in der Lage war, am neuen Wohnort einen DSL-Anschluss zu installieren. Nachdem sie dem Kläger dies schriftlich mitgeteilt hatte, erklärte dieser die „Sonderkündigung“ des Vertrags.
Dessen ungeachtet beanspruchte die Beklagte die vereinbarte monatliche Grundgebühr weiter. Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag durch die Kündigung wirksam beendet wurde und er nicht verpflichtet ist, die geltend gemachten Monatsbeträge zu zahlen.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil bestätigt. Der Kläger hatte keinen wichtigen Grund zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 oder § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB*. Ein solcher Grund besteht grundsätzlich nicht, wenn er aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des anderen Vertragspartners entzogen sind und der Interessensphäre des Kündigenden entstammen. Der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung abschließt, trägt grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Dementsprechend stellt ein Umzug, etwa aus beruflichen oder familiären Gründen, prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar. Hinzu trat im Streitfall, dass die vergleichsweise lange Laufzeit des DSL-Anschlussvertrags die wirtschaftliche „Gegenleistung“ des Klägers für einen niedrigen monatlichen Grundpreis war und auch ein Vertragsschluss mit kürzerer Laufzeit oder monatlicher Kündbarkeit zu höheren Kosten möglich gewesen wäre. Zudem amortisierten sich die Investitionen des Unternehmens, das dem Kunden insbesondere die notwendige technische Ausrüstung (Router, WLAN-Stick) zur Verfügung stellte, erst innerhalb des zweiten Vertragsjahrs.
Urteil vom 11. November 2010 – III ZR 57/10
AG Montabaur – Urteil vom 2. Oktober 2009 – 15 C 443/08
LG Koblenz – Urteil vom 3. März 2010 – 12 S 216/09
Karlsruhe, den 11. November 2010
*§ 626 BGB Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
§ 314 BGB Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund
(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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Quelle: Pressemitteilung Nr. 215/2010 des BGH vom 11.11.2010