IT-Recht aktuell

OLG München: Dem Anbieter einer Business-Software-Lösung obliegen umfangreiche Aufklärungspflichten

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 08.08.2022 (Az. 20 U 3236/22) im Rahmen eines Rechtsstreits umfangreiche Aufklärungspflichten eines Softwareanbieters bejaht.

Sachverhalt

Dem Beschluss lag ein Streit zwischen dem Anbieter einer Hotelbuchungssoftware und einem Hotel, das u.a. auch als Boardinghaus auftrat zugrunde. Der Hotelbetreiber hatte die Software im Wege der zeitlich befristeten Überlassung (Software-as-a-Service) in Anspruch genommen. Kurz nach der Installation der Software und der Eröffnung des Hotels hatte dieses bereits im Mai 2018 gerügt, dass in der Software kein Pauschalpreis für monatsweise Vermietungen unabhängig von der Anzahl der Kalendertage des jeweiligen Monats möglich sei. Zudem war es u.a. nicht möglich vor dem Check-In eines Gastes eine steuerlich anerkannte Rechnung mit Umsatzsteuerausweis zu erstellen.

Der Softwareanbieter behob die Mängel nicht, bot jedoch stattdessen die vorzeitige Vertragsbeendigung zum 15.01.2020 an. Das Hotel kündigte daraufhin im September 2018 den Vertrag fristlos wegen wesentlicher Mängel der Software und verweigerte die Zahlung der jährlichen Lizenzgebühren einschließlich der Installationskosten. Der Softwareanbieter vertrat die Auffassung, die fristlose Kündigung sei unwirksam und klagte vor dem Landgericht Landshut (Az. 52 O 367/20) auf Zahlung der offenen Rechnungen. Zu Unrecht, wie das Landgericht Landshut urteilte. Gegen das Urteil legte der Softwareanbieter Berufung beim OLG München ein, das jedoch der Rechtsauffassung des LG Landshut folgte und dem Softwareanbieter nahelegte die Berufung zurückzunehmen.

Die Kernaussagen des Beschlusses

Im Rahmen des Beschlusses wies das OLG München den Softwareanbieter darauf hin, dass

1. die zeitlich befristete Überlassung von Software als Mietvertrag einzuordnen sei (so auch BGH, Urteil v. 15.11.2006, XII ZR 120/04, Rn. 13 ff.);

2. die vom Hotel gerügten Mängel wesentlich seien;

3. diese wesentlichen Mängel eine fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigten;

4. das Angebot der vorzeitigen Vertragsbeendigung laut SaaS-Vertrag als fehlgeschlagene Nachbesserung zu werten sei;

5. es laut Vertrag keiner Fristsetzung durch das Hotel bedurfte;

6. es dem Softwareanbieter als Spezialist oblag, vorvertraglich zu klären, welcher Art der Betrieb das Hotel sei und welche diesbezüglichen Anforderungen das Hotel an eine Buchungssoftware habe.

Der Softwareanbieter vertrat insoweit die Auffassung, dass das Hotel nicht ausreichend darauf hingewiesen habe, dass es auch längerfristige Buchungen als  Boardinghaus ermögliche. Dem Argument folgte das OLG München nicht. Es sah vielmehr den Softwareanbieter als Spezialist in der Pflicht, die Anforderungen des Kunden zu erfragen. Zwar seien die Lizenzgebühren bereits vor Ausspruch der fristlosen Kündigung fällig geworden. Darauf komme es jedoch nicht an, da dem Hotel infolge der unterblieben Aufklärung ein Schadenersatzanspruch im Sinne von §§ 280, 311 Abs. 2 BGB gegen den Softwareanbieter zustehe, der auf Rückabwicklung des Vertrags und damit Erstattung bereits geleisteter Zahlungen gerichtet sei.

Auch im Hinblick auf die ebenfalls eingeklagten (erheblichen) Installationskosten verneinte das OLG München die Erfolgsaussicht der Berufung. Die Installation sei zwar nach Werkvertragsrecht zu beurteilen und mangelfrei. Dies sei jedoch irrelevant, da es sich um unnütze Aufwendungen des Hotels handle, die das Softwareunternehmen durch pflichtwidriges Verhalten im Sinne von §§ 280, 311 Abs. 1 BGB verursacht habe. Denn schließlich wären die Installationskosten nicht angefallen, wenn das Hotel vor Vertragsschluss ordnungsgemäß darüber aufgeklärt worden wäre, welche Funktionen die Software abbilde bzw. nicht abbilde. Das Hotel könne folglich im Rahmen des ihm zustehenden Schadenersatzes Befreiung von der noch offenen Verbindlichkeiten verlangen.

Quelle: Internet-Law, Beitrag vom 30.09.2022

 

Fazit:

Spezialisierten Softwareanbietern obliegen umfangreiche vorvertraglich Aufklärungs- und Informationspflichten. Dies gilt auch, wenn kein Lastenheft existiert und der Kunde ggfs. nicht ungefragt notwendige Informationen offenbart. Etwaige Aufklärungsmängel sind laut OLG München dem Softwareanbieter zuzurechnen und rechtfertigen ggfs. die fristlose Kündigung durch den Kunden.

 

 

 

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